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Wenn aus Wunden WUNDER werden

„Ich spüre mich selbst nicht!“
„Ich habe keinen Zugang zu meinen Gefühlen!“

Viele meiner Klienten beginnen mit Sätzen wie diesen unser erstes Gespräch. Auch Marlies.
Sie erzählte, dass sie in sich drinnen eine große Leere spürt. Sie beschrieb dieses Gefühl wie ein leeres, weißes Blatt Papier.
Marlies hatte den großen Wunsch an die Aufstellung, zu verstehen, warum das so ist und dann etwas verändern zu können, nämlich Gefühle spüren zu können.

Bei mir richtet sich jede Aufstellung sehr individuell an den Zielen der Klientin oder des Klienten aus! Ich versuche im Gespräch so klar wie möglich gemeinsam herauszufinden, worum es geht, um danach den Einstieg in die Arbeit zu gestalten.
Sehr wichtig dabei ist für mich auch meine Intuition!

Das „weiße, leere Blatt“ war so präsent im Gespräch, dass ich vorschlug, wir beginnen die Aufstellung einfach damit, und mit Marlies.

Meine Wahrnehmungen auf der Position von Marlies waren zu Beginn hauptsächlich Traurigkeit, Einsamkeit und vor allem sehr starkes Selbstmitleid. Hier ging Marlies sehr in Resonanz und ich bat sie, etwas im Raum auszusuchen, was ein Symbol für diese Gefühle sein könnte.

Zielstrebig ging sie auf einen großen Korb mit Stofftieren zu. Von ganz unten zog sie eine Stoffpuppe heraus und sagte: „Das ist meine innere Heulsuse“. Gemeint war damit das Selbstmitleid, das sie in ihrem Leben sehr blockierte.

In der weiteren Arbeit habe ich Marlies gebeten, die Heulsuse zu fragen, ob es etwas im Raum gibt, was vielleicht hilfreich für sie sein könnte.

Wieder ging die Klientin, ohne zu überlegen, zum Korb mit den Stofftieren und nahm einen kleinen, grünen, freundlichen Dinosaurier heraus.

Sie legte ihn gegenüber der Stoffpuppe auf, mit viel Distanz dazwischen, aber mit Blick zueinander.

Ich spürte auf der Dino-Position die Frage an die Heulsuse: „Was kann ich für dich tun?“

Diese Frage berührte Marlies sehr und sie begann zu weinen und fast gleichzeitig auch zu lachen …. sie beschrieb ihr Gefühl später so:
"Ich fühlte mich so berührt davon, dass jemand mich (bzw. meine innere Heulsuse) fragte, ob er etwas für mich tun könnte!! Das war wie eine Schleuse, die mich plötzlich traurig machte und gleichzeitig froh, weil ich die Traurigkeit wirklich spüren konnte ..."

Ich habe Marlies eingeladen, selbst auf ihre Position in der Aufstellung zu kommen und sie war gerne dazu bereit.

An den Reaktionen von Marlies wurde von Minute zu Minute sichtbarer, was sie meinte. „Du bist meine Traurigkeit“, sagte sie zum Dino und holte ihn ganz nah zu sich. Was hier passierte, war die Integration von Gefühlen, die Marlies früher aufgrund traumatischer Erlebnisse abgespalten hatte.

Viele Jahre in einer inzwischen schon lange beendeten, von Gewalt geprägten Beziehung hatten es für Marlies notwendig gemacht, einen Schutzwall aufzubauen, um nicht permanent den damit verbundenen Gefühlen ausgesetzt zu sein. Angst, Scham, Traurigkeit, Einsamkeit, Hilflosigkeit und noch viele Gefühle mehr mussten verdrängt werden, um das Leben aushalten und sich und ihre Tochter ausreichend schützen zu können.

Marlies wählte dann noch andere Stofftiere für einzelne Gefühle, wie z.B. Angst (großer Wolf), Demütigung (Bär), Freude (Katze) aus und wiederholte jedes Mal den Ablauf der Integration.

Nachdem sie das mit einigen Gefühlen gemacht hatte, sagte sie, jetzt wäre es gut so. „Ich weiß jetzt, was ich machen kann, um mir alle meine Gefühle wieder zurück zu holen. Jetzt kann ich auch allein weiter machen.“

Diese Aufstellung liegt inzwischen fast ein Jahr zurück und Marlies hat mir vor kurzem erzählt, dass sie noch immer wirkt und es ihr so gut geht und sie sich so verbunden mit sich selbst fühlt, wie „noch nie in meinem Leben“.

Solche verdrängten, abgespaltenen Anteile von uns beschreibe ich gerne als Eiswürferl. Wir haben die Gefühle eingefroren, um uns davor zu schützen, sie permanent fühlen zu müssen.
Im Erleben einer traumatischen Situation passiert das ganz automatisch und unbewusst, und es ist gut so.

„Ich spüre mich selbst nicht“ oder „Ich habe keinen Zugang zu meinen Gefühlen“ können Momente sein, wo die Eiswürferl (traumatisierte Anteile) sich melden und wieder aufgetaut werden dürfen.

Trauma kann in einer Aufstellung sichtbar gemacht und gelöst werden! Es muss uns nicht unser ganzes Leben lang blockieren und einschränken!

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