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Ich bin nicht richitg!

Ich bin nicht richtig!

Lukas erzählt, dass er extrem grenzüberschreitende, gefährliche Erfahrungen sucht, um sich zumindest vorübergehend selbst zu spüren.

Sein Wunsch ist es, eine Möglichkeit zu finden, um sich langfristig selbst spüren zu können. Er betont mehrfach, dass er sich nur sehr schwer vorstellen kann, dass dies bei ihm überhaupt möglich wäre. Er kennt sich nur in diesem Zustand, den er so beschreibt, als würde er hinter einer durchsichtigen Wand leben, die ihm zwar die Teilnahme an allem rundherum möglich macht, allerdings ohne davon wirklich berührt zu werden. Als furchtbar anstrengend und kraftraubend erlebt er, dass er gleichzeitig immer versucht, so zu tun, als würde er berührt. Er meint, dass wohl niemand in seinem Umfeld merkt, dass er eigentlich „nicht da“ ist, was das Ganze für ihn noch viel belastender macht, da er sich abgeschnitten und allein fühlt.

An diesem Punkt ist es oft so, dass Klient:innen Unsicherheit spüren und auch Angst haben, was bei einer Aufstellung vielleicht „herauskommen“ könnte. Ob sie damit zurechtkommen würden. Ob vielleicht nachher alles schlimmer für sie wäre.

Mit meiner Versicherung, ihn in keinem Moment des Prozesses allein zu lassen und ihn achtsam zu begleiten, konnte Lukas sich auf eine Aufstellung einlassen. Sein Wunsch, sich zu spüren, war so tief, dass er bereit war, loszulegen!

Viele meiner Klienten, die mit ähnlichen Themen zu mir kommen, wünschen sich mehr Klarheit darüber, woher ihr Problem kommen könnte. Denn davon erhoffen sie sich, besser damit umgehen zu können.

Und genau so ist es auch: eine Aufstellung ermöglicht uns, in einen Bereich zu schauen, der uns bewusst nicht zugänglich ist.

Im weiteren Prozess der Zusammenarbeit mit Lukas stellte sich heraus, dass er verlernt hatte, seinen Gefühlen zu vertrauen, weil ihm schon früh von unterschiedlichen Erwachsenen in seinem Leben immer wieder gesagt wurde, dass sie nicht richtig seien, dass „er falsch sei“.

Das tut doch gar nicht weh!
Du bist traurig? Geh, das glaubst du nur!
Wovor hast du Angst? Da ist doch gar nichts!

Das Erleben, dass die Menschen, denen man als Kind bedingungslos vertraut, einem vermitteln, dass das, was man spürt, offenbar falsch ist, kann dazu führen – wie bei Lukas – dass das Vertrauen in das eigene Fühlen verloren geht.

Lukas konnte diesen Zusammenhang im Rahmen mehrerer Aufstellungen immer besser verstehen. Für ihn war es sehr wichtig, eine kognitive Erklärung dafür zu haben, wie es ihm geht und woher das kommt. „Ich bin nicht schuld/krank/dumm/falsch …“ war eine unglaublich erleichternde Erkenntnis für ihn.

Und langsam – in seinem Tempo – probierte er sich darin aus, wieder darauf zu vertrauen, dass er überhaupt etwas fühlen konnte, das echt und authentisch ist.

Er hat mir erzählt, der „gamechanger“ für ihn war, dass er ganz plötzlich Angst spürte, als er wieder einmal mit Freunden eine körperlich gefährliche, grenzüberschreitende Aktion plante.

Es klingt vielleicht seltsam, dass man sich über Angst so freuen kann, aber Lukas war so überwältigt von der Tatsache, ein eigenes, wirkliches, deutliches Gefühl zu haben, das sein eigenes war und ihm so sehr zu vertrauen, dass er sich aus der Runde ausklinkte und die Aktion sein ließ.

Der Anteil von uns, der traumatisiert wurde, bleibt sozusagen in einer Blase in der Vergangenheit eingeschlossen. Wenn dieses Trauma im Alter von 8 Jahren geschehen ist, bleibt dieser Anteil im Alter von acht und hat danach „keine Aktualisierungen erhalten“.
Wenn es gelingt, den traumatisierten Anteil wieder zu integrieren, dann synchronisiert er sich mit dem gegenwärtigen Leben!

„Ich habe das Gefühl, ein Puzzlestück ist an seinen Platz gefallen!“
„Ich bin wieder kompletter!“
„Ich fühle mich mehr verbunden mit mir!“
„Alles ist plötzlich leicht geworden!“

Das sind Sätze, die ich sehr oft höre, wenn in einer Aufstellung ein traumatisierter Anteil wieder integriert werden durfte!
Und ich liebe diese Sätze und den wunderbaren Prozess, der zu einem vorher nicht gekannten inneren Frieden bei meinem Klient:innen führt!

Die Traumaintegration auf der individuellen Ebene begleite ich bei einem sehr großen Teil meiner Aufstellungen. Und ich bin sehr froh darüber!

Jedes individuelle Trauma, das gelöst wird, führt zu mehr innerem Frieden mit sich selbst.

Und je mehr Frieden in uns entsteht, umso eher kann es uns gelingen, uns auch mit der Auflösung von Traumata zu beschäftigen, die in den Generationen vor uns geschehen sind und ohne Integration weiter- und weiter- und weitergegeben werden ...

Warum ich das für so wahnsinnig wichtig halte, darüber schreibe ich in meinem nächsten Blog!

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